Von Brüssel ins Fitness-Studio

Kanzler Kurz absolvierte gestern seinen EU-Antrittsbesuch. Pumpen war er dann woanders. Ich auch. Beides ein Erlebnis.

Peter L. Eppinger, den Sebastian Kurz als Einklatscher von Ö3 holte, wusste es unter Garantie schon bevor er mit seinem Chef alle österreichischen Achttausender bestiegen hatte: Der neue, alte Kanzler hat Weitblick. Als Kurz gestern nach Brüssel aufbrach, nahm er deshalb weder Fahrrad noch Bahn, sondern das Flugzeug. Bevor jetzt alle aufheulen: Das war klug. Kurz wollte sparen helfen. In ein paar Monaten gibt es auf Kurzstreckenflüge (die heißen übrigens nicht wegen Kurz so) 12 Euro Aufschlag. Pro Strecke. Jetzt ist alles noch viel billiger. Die 24 Euro, die er gestern sparte, fließen natürlich sofort ins Budget 2020. Man macht es Gernot Blümel wirklich ziemlich einfach mit dem Nulldefizit.

Von Wien nach Brüssel sind es mit dem Radl 1.178 Kilometer. Wenn Kurz 100 Kilometer am Tag packt (und allein der Zweifel daran wäre eine Leugnung der Schöpfung), dann hätte er in 12 Tagen da sein können. Ich stelle mir das ja so vor: Als Kurz also etwa gerade an Grünmorsbach vorbeiradelt, das Gewerbegebiet Würzburger Straße Nord in Sicht, Schweinheim an der linken Backe, verfolgt von einem Peloton Journalisten, an die 30 Stück, und alle schreiben Live-Ticker voll, genau in diesem Moment hätten die Grünen daheim die Sicherungshaft beschließen können. Hinter seinem Rücken. Wenn Kurz dann zurückgekommen wäre (selbstredend wieder auf dem Fahrrad), dann hätten schon die Ersten im Häfen sitzen können.

Natürlich hätte Kurz sofort den Kogler Werner angerufen. „Sag einmal du Überzeugungstäter, welche der beiden Welten hast du jetzt nicht verstanden?“
„Ich wollte dir nur eine Freude machen“.
„Da hätte ich mir gleich den Kickl behalten können.“
„Der hätte sich auch mit der Krawatte leichter getan.“
„….“
„….“
„Samma wieder gut?“
„Bussi“

„Erster Krieg in der Koalition“, hätten die Medien gewohnt zurückhaltend schreiben können, wenn das durchgesickert wäre.

Die Sache mit der Schöpfung

So aber saß Sebastian Kurz Sonntag im Flieger nach Belgien, „Brussels Airways“, natürlich Economy (auch da wäre ein Zweifel daran eine Leugnung der Schöpfung), durch eine himmlische Fügung landete EU-Kommissar Gio Hahn am Nebensitz. Kurz traf zunächst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Österreich sehr gewogen ist, zumal sie einen Familiensitz in der Steiermark hat. Der neue, alte Kanzler brachte überraschend brandneue Themen aufs Tapet, also sprach er eine „konsequente Linie im Kampf gegen die illegale Migration“ an, die dafür sorgen soll, dass sich Menschen „nicht illegal auf den Weg über das Mittelmeer“ machen.

Tatsächlich neu war, dass der neue, alte Kanzler auch die Klimapolitik als „wichtigen Schwerpunkt“ erwähnte, wörtlich als „Umgang mit unserer Schöpfung“. Im Himmel müssen sie gestern ziemlich oft Schnackerlstoßen gehabt haben.

Von der Leyen zeigte Kurz dann noch ein Schwarzweiß-Bild ihres inzwischen verstorbenen Vaters Ernst Albrecht. Der spätere Ministerpräsident von Niedersachsen stand bei der Unterzeichnung der „Römischen Verträge“ 1953 hinter dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer. Der war 73, als er ins Amt kam. Der jüngste Kanzler auf Gottes Erden vor dem Bild des damals ältesten, historischer wurde es nicht mehr. Kurz traf danach noch Brexit-Chefverhandler Michel Barnier, ein Termin mit Charles Michael fiel aus, der EU-Ratspräsident, der beruflich gern Rolli trägt, weilte überraschend in Ägypten. Kurz schaffte also den früheren Flieger, das sollte im Laufe des Tages noch eine Rolle spielen.

"Grüß Gott allerseits"

Ich reiste nicht im Peloton nach Brüssel mit, sondern landete im ORF in der „Runde der ChefredakteurInnen“. Weil Kurz in Brüssel war und mit Kogler vereinbart hatte, dass der neue Kanzler vor dem neuen Vizekanzler in die Pressestunde geht, fiel diese gleich ganz aus. Also kamen wir dran. Für mich brachte das eine neue Erfahrung. Als die Kosmetikerin mich fragte, ob sie meine Augenbrauen schminken dürfe, sagte ich unvorsichtigerweise ja. Falls Sie die Sendung gesehen haben: Nein, das war ich, nicht Groucho Marx.

Dafür waren die Untertitel diesmal richtig. Und ich las am Weg ins Studio einen Aushänger und weiß jetzt, dass im ORF für den Erhalt eines Fitnessraumes, inkl. Kraftkammer, gekämpft wird (nur falls sie mitstimmen möchten). Von den sechs Journalisten begrüßten zwei die Seherinnen und Seher mit „Grüß Gott“, was zeigt, dass sich das mit der Schöpfung schon fruchtbringend niederschlägt.

Als ich am Ende gefragt wurde, wie lang meiner Ansicht nach Türkis-Grün halten werde, antwortete ich: „Also ich glaube nicht, dass von Werner Kogler ein Video von einer Alm auftauchen wird, in dem er den Uhrturm an irgendwelche Oligarchen verkauft, insofern ist das Potential schon da, dass das fünf Jahre hält“. Das war vielleicht etwas tollkühn, da Prognosen ja schwierig sind, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Das Zitat soll von Winston Churchill stammen, oder von Kurt Tucholsky, oder von Mark Twain. Vielleicht ist es auch von Werner Kogler und es ist untergegangen in den paar, kargen Sätzen, die er bisher von sich gegeben hat.

Vereint mit Gernot Blümel

Abends dann näherte sich meine Vision eines radelnden Kurz der Realität an, denn der neue, alte Kanzler war „pumpen“, wie wir Jungen sagen. Kaum aus Brüssel zurück, ging er auf ein paar Arm- und Beinpressen in ein Wiener Fitnessstudio (nein, nicht in das im ORF, um seine Solidarität zu bekunden) und wieder war die Schöpfung gnädig und sorgte dafür, dass Gernot Blümel ebenfalls Lust auf ein Workout hatte. Kleine Welt, unser Wien.

Haben Sie einen wunderbaren Montag.

Bisher erschienen
"Es ist alles so real
"
"No words needed"
"So wahr mir Gott helfe"
Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos: Helmut Graf, Sabine Hertel, Denise Auer, iStock, ORF

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