Wohin des Weges?

Da schau her, auch die SPÖ kann für Erstaunen sorgen – an diesem Wochenende gleich zweimal.

Politiker können auf recht einfache Weise zumindest grob feststellen, wie es im Moment um sie bestellt ist. Wenn sie in eine Bäckerei gehen und die Angestellten und die Kunden sagen allesamt „Guten Morgen“ oder „Grüß Gott“ oder „Hallo“ zu ihnen oder schenken ihnen zumindest ein Lächeln, es muss ja nicht ehrlich gemeint sein, dann sind sie bekannt. Populär – oder meinetwegen angesagt – sind sie, wenn sogar die Kaisersemmeln um ein Selfie bitten. Ähre wem Ähre gebührt.

Pamela Rendi-Wagner will es jetzt auf andere Weise wissen. Sie fragt alle Parteimitglieder, was sie so übers Leben denken und wie es ihnen geht mit ihr als Chefin. Das ist ein ungewöhnlicher Zugang, so etwas gab es in der Geschichte der SPÖ noch nie, vielleicht weil noch keiner auf die Idee gekommen ist, oder weil die Idee nicht wirklich gut ist, das wird man sehen, wenn man das Ergebnis aus dem Ofen holt. Es könnte nämlich am Ende auch rauskommen, dass die Semmeln finden, der Kaiser wäre besser. So etwas erzeugt schnell Brösel.

Am 14. Mai 2017 übernahm Sebastian Kurz die ÖVP, nicht einfach so, er hatte Monate, wenn nicht Jahre auf diesen Tag hingearbeitet. Er stellte sich in der „Politischen Akademie“ im Springer-Schlössl in Wien-Meidling vor den Vorstand, aber er bot sich nicht an. Nein, er sagte, ich mache euch den Parteichef, aber zu meinen Bedingungen. Ich entscheide fortan alles und das allein, wenn ich Lust dazu habe, dann informiere ich euch vorab, wenn nicht, dann nicht. Ich besetze alle Positionen nach meinem Gutdünken, ich entscheide allein über Koalitionsgespräche, Regierungsabschlüsse und Ministerjobs, wen ich rausschmeiße und wann ich Neuwahlen für geboten erachte. Ich debattiere nicht darüber, sondern ihr nehmt das jetzt so an, oder ihr sucht euch einen anderen. 

Im Gegenzug ließ er diese, seine Partei, von Spindelegger und Mitterlehner in den Dämmermodus versetzt, plötzlich von Wahlsiegen träumen, versprach die ÖVP wieder groß und respektabel zu machen, vor allem ihr Einfluss, Jobs, Posten, Macht zu sichern oder zu holen, es ist ja das, worum es in der Politik tatsächlich geht. Man darf nicht vergessen, er war zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt, er hätte noch fünf Mitterlehners warten können, um die ÖVP zu übernehmen. Er bekam sie gleich, es war eine Unterwerfung.

Sehr wichtig,
nicht wichtig

Die SPÖ nun stellt sich im 132. Jahr ihrer Geschichte hin und fragt die 160.000 verbliebenen Mitglieder, wofür sie stehen soll und ob die aktuelle Chefin die Richtige dafür ist, das zu vertreten, wofür man steht, aber von dem man halt leider noch nicht weiß, was es ist. Das ist ein bewundernswertes Zeichen von Kampfeswillen von Pamela Rendi-Wagner, sie setzt alles auf eine Karte, es ist ihre letzte. Es ist auch ein mutiger Schritt, dieser Mut aber ist ein Mut der Verzweiflung und es ist ein Hilferuf. Die Partei hat ihre Chefin in 14 Monaten zermürbt, nun sucht sie Unterstützung bei der Basis, was immer das auch ist. Aber: Es ist gleichzeitig auch ein politischer Offenbarungseid. Eine Partei, die sich ihre Standpunkte zusammenkreuzeln lässt wie Tipps auf einem Lottoschein, hat aufgegeben zu wissen, wofür sie eigentlich da ist und warum. 

Wir werden groteske Szenen erleben. Die SPÖ will österreichweit ja massiv über Hausbesuche für die Mitgliederbefragung werben, gleichzeitig läuft in Wien der Wahlkampf an. Einmal läutet es an der Tür und die SPÖ sagt, wofür sie steht. Kurz danach läutet es wieder an der derselben Tür und derselbe Funktionär fragt dieselben Leute, wofür die SPÖ stehen soll und ob die aktuelle Chefin die Richtige dafür sei, das zu vertreten, wofür man stehe, aber von dem man halt leider noch nicht wisse, was es ist. Man wird in viele erstaunte Gesichter schauen.

Die Erzeugung dieses Erstaunens begann am 30. Jänner. Da tagten in Wien der Vorstand und das Präsidium der SPÖ. Gesprochen wurde dabei auch über eine Mitgliederbefragung, deren Ergebnis am Zukunftskongress am 25. April präsentiert werden soll, unmittelbar vor dem 1. Mai, auf den sich die SPÖ immer sehr freut, aber vor dem sich seit den Faymann-Pfiffen gleichzeitig sehr fürchtet. In Vorstand und Präsidium wurde dem Thema Mitgliederbefragung keine überbordende Aufmerksamkeit geschenkt, jeder wusste, die Statuten der Partei sehen ohnehin vor, dass die Gremien vor der Versendung um Zustimmung gebeten werden müssen. 

Die Pressekonferenz von Pamela Rendi-Wagner danach ist 22.13 Minuten lang. Die Mitgliederbefragung erwähnt sie in zwei Halbsätzen. Dafür spricht sie mehrmals über Zukunftslabors. Für sie als Ärztin symbolisiert ein Labor Erkenntnis und Fortschritt, aber in der Politik ist das ein unglücklicher Begriff, er lässt Bilder entstehen, die man nicht brauchen kann. In Labors wird geheim etwas zusammengebraut, von dem man nicht weiß, was es ist, auch wenn man es später sieht. 

Österreich spricht über Sicherungshaft, die Defizite der Krankenkasse, die Steuerreform, Schulen, den Wirtschaftsabschwung, Erhöhung der Studiengebühren, der Winter ist heiß wie nie, es gibt eine neue Regierung, ein neues Regierungsprogramm, das Feld ist bestellt, um als Oppositionspartei reichlich Ernte einzufahren, aber schnell müsste man halt sein mit den Antworten, sonst vermodert alles. Stattdessen mischt sich die SPÖ in Labors ihr neues Zukunftsbild zusammen, die Leute auf der Straße sollen ihr sagen, welche Substanzen sie dafür verwenden soll.

House of
one Card

In der ersten Februarwoche erarbeitete die Bundesgeschäftsstelle in der Löwelstraße mit dem parteinahen Meinungsforschungsinstitut Ifes einen Fragebogen. Das Team wurde klein gehalten, es bestand im Kern aus Pamela Rendi-Wagner, Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und  Pressechef Stefan Hirsch. Man entschied, keine Ja Nein-Fragen zu stellen, sondern vier Antwort-Kategorien anzubieten, von „sehr wichtig“ bis „nicht wichtig“. Am Ende standen 15 Fragen da, sie sind konkret, aber irgendwie doch beliebig, in der Art von: „Mögen Sie Schwedenbomben lieber mit oder ohne Kokosraspeln?“

Am Montag letzter Woche überraschte Rendi-Wagner dann ihr eigenes Team. Sie wolle, um dem Vorgang mehr Gewicht zu verleihen, zusätzlich eine persönliche Frage stellen, es sollte die einzige werden, die sich mit Ja/Nein beantworten lässt. Es folgten tagelange, intensive Debatten, man beschloss, niemanden außerhalb der Löwelstraße zu informieren, die Fragestellung wurde trickreich so formuliert, dass möglichst viele zustimmen können: „Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?“ „Wichtige Themen“. „Gemeinsam“. „Kämpfen“. Diese Schlüsselworte sollen den Sieg bringen. Wie sich dieser Sieg definiert, wurde nicht gesagt. Irgendwas zwischen 0 und 100 Prozent.

Am Donnerstag gab Rendi-Wagner mit Hans Peter Doskozil eine gemeinsame Pressekonferenz zum Eurofighter-Skandal, aber auch ihm verschwieg sie ihre Pläne. Noch Donnerstagabend traf sich der kleine Kreis in der Löwelstraße erneut, man ging den Freitag noch einmal durch, bekräftigte, dass keiner außerhalb des Raumes verständigt werde, es sollte ein „Paukenschlag“ werden. Erst Freitag früh, unmittelbar vor der Sitzung des SPÖ-Präsidiums, begann Rendi-Wagner einzelne Parteigranden von ihrem Vorhaben telefonisch zu informieren. Viele fühlten sich brüskiert. Wäre ein Mann so vorgegangen, vielleicht hätten viele gesagt: „Toller Hecht, pfeift sich nix“. Rendi-Wagner aber ist eine Frau.

Das SPÖ-Präsidium besteht auch 18 Personen, es ist nach dem Bundesparteitag das höchste Gremium der Partei. Neben Rendi-Wagner haben hier auch die Wiener Ex-Vizebürgermeisterin Renate Brauner, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Ex-Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek und etwa die einem größeren Personenkreis wenig geläufige, burgenländische Landesrätin Astrid Eisenkopf Sitz und Stimme, aber nicht der Tiroler Landeschef Georg Dornauer. Er hat wohl zu viele Böcke geschossen. Die Mitgliederbefragung in der vorliegenden Form stieß hier, um es vorsichtig zu formulieren, auf bescheiden ausgeprägte Euphorie. Ein Passus (Wahl der/des Bundesparteivorsitzenden durch die Basis) wurde gleich gestrichen. Mit zwei Gegenstimmen empfahl das Präsidium dann schließlich doch dem Parteivorstand, die Befragung in dieser Form durchzuwinken.

Der SPÖ-Vorstand hat 68 Mitgliedern. Er tagte im Anschluss an das Präsidium. Ein Drittel der Delegierten muss anwesend sein, um die Beschlussfähigkeit zu gewährleisten, das ging sich Freitag aus. Aber: Nur mit der hauchdünnen Mehrheit von 12 zu 10 Stimmen wurde der Fragebogen von Rendi-Wagner angenommen, es gab fünf Enthaltungen, eine heftige Debatte und viele waren verärgert über die Vorgangsweise. In der Pause zwischen Vorstand und Präsidium hatte die Parteichefin nämlich die Befragung via Twitter-Video öffentlich gemacht. Sie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal beschlossen.

Die Underwoods

Nun bekommen alle Mitglieder Post. Die Zusendung enthält den Fragebogen (der noch schöner layoutiert wird), einen Begleitbrief von Rendi-Wagner und ein Rückkuvert, man kann den Fragebogen aber auch online ausfüllen. Von 4. März bis 2. April ist Zeit dazu, eingeladen sind alle, die mit Stichtag 14. Februar Parteimitglied waren. Das Datum ist nicht zufällig gewählt, man wollte verhindern, dass sich ein paar Spaßvögel noch schnell eine Kurzmitgliedschaft holen und mitstimmen.

Und dann? Dann wird man wohl so klug sein wie zuvor. Aus den 15 gestellten Fragen will die SPÖ drei „Kampfthemen“ herausdestillieren, jene, die von den meisten Mitgliedern als „sehr wichtig“ erachtet werden. Als Möglichkeit wird auch angeboten: „Integration vor Zuzug als Grundsatz: Menschen mit Recht auf Asyl integrieren, illegale Migration verhindern“. Was ist, wenn die SPÖ-Mitglieder dieser Frage einen hohen Stellenwert einräumen? Werden die Roten dann zu Türkis light?

Es hätte so schön sein können. Am Valentinstag wurde via „Kurier“ bekannt, dass Julia Jurtschak, Bald-Ehefrau von Hans Peter Doskozil, eine wichtige Aufgabe zum Wohl des Burgenlandes übernehmen soll. Nicht in einem Labor und schon gar nicht in einem Zukunftslabor, sondern gleich im Büro des Landeshauptmannes, ihres Verlobten. Sie sollte in den Bezirken die Sozialmärkte aufbauen und das Geschäftsfeld „Burgenländer des Jahres“ neu aufbauen, es wird auch abseits von Wien viel geehrt und ausgezeichnet. 

Noch ehe sich Francis und Claire Underwood in ihrem Wirken allerdings richtig entfalten konnten, brach ihr Eisenstädter „House of Cards“ ein. Als der öffentliche Gegenwind zu stark aufbrauste, stellte Julia Jurtschak ihre Ambitionen zurück, sie wird nicht Referentin bei ihrem Verlobten. So ist das halt mit Geschenken zum Valentinstag. Die meisten sind schon 24 Stunden später welk. 

Hallo, Lieutenant Commander Data

Während sich die SPÖ in Wien und Eisenstadt ihrem wichtigsten Thema widmete, nämlich sich selbst, hatte Sebastian Kurz wieder so etwas wie einen Auftritt auf der Weltbühne, die diesmal in München stand. Zur Sicherheitskonferenz reisten 40 Staats- und Regierungschefs an, die Ergebnisse blieben bescheiden, aber es gab ein paar schöne Bilder und ein paar weniger schöne. Kurz traf sich in einer Hotelsuite mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg, es könnte aber auch Android Data aus Star Trek gewesen sein. Mit dem sollte Captain Picard ein paar ernste Worte reden. Die Sternenflotte hat einen ziemlichen Kabelsalat unter ihren Fernsehern.

Kurz geigte Zuckerberg, oder Data, richtig die Meinung. „Wir müssen verhindern, dass soziale Medien für das Schüren von Hass im Netz missbraucht werden“, sagte er, ohne zu erläutern ob das „Schüren von Hass“ außerhalb des Netzes für ihn in Ordnung wäre. Das Gespräch beeindruckte „Data“ Zuckerberg offenbar so, dass er nun plötzlich auch dafür ist, dass Technologie-Unternehmen weltweit mehr Steuern zahlen, vielleicht wusste er nicht, dass Facebook auch so ein Technologieunternehmen ist.

Mit Kanadas Premier Justin Trudeau, neuerdings mit Bart wie Käpt'n Iglo, stritt sich Kurz am Podium ein bisschen um das Thema – erraten – Migration herum. Trudeau präsentierte sein Land als Multikulti, Österreichs Kanzler erwiderte, dass Kanada nur die besten Einwanderer anziehe. Österreich habe ja auch kein Problem damit, die Söhne und Töchter von in Wien stationierten UN-Botschaftern zu integrieren, sondern mit den großen Zahlen an schlecht ausgebildeten Irakern oder Syrern. Das wollte Käpt'n Iglo wiederum nicht aus sich sitzen lassen. Man investiere in Integration, „das bekommst du innerhalb einer Generation tausendfach zurück.“

Die SPÖ investiert jetzt in einen Fragebogen und hofft auch, ihn tausendfach zurückzubekommen. Mit den richtigen Antworten halt.

Haben Sie fraglos einen wunderbaren Start in die Woche.

Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adresse

Bisher erschienen:
Es fliegt, es fliegt
Lieber Christian
Ein Leben am Limit

Kurzer Prozess

Hexenjagd am Klo

Ein Land im Fieber

Eine Frage der Ehre

Frühstücken mit Kurz

Von der Lust gepackt

Ein Ball, viele Bälle

Blabla und Wulli Wulli
"Warum steigt's nicht ein?
"
"Servas die Buam"

Die Teufelsaustreibung

Romeo und Julia

Strache, "ich war dabei"

Brot und Spiele

It´s my lei lei life!

Der Zug der Zeit

Der Hauch des Todes

... - .-. .- -.-. .... .

Inselbegabungen
 
Big Bang für einen Big Mac

Auf einen Apfelputz beim Minister

Von Brüssel ins Fitness-Studio

"Es ist alles so real
"
"No words needed" 
"So wahr mir Gott helfe"

Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos:
Aufmacher SPÖ-Gruppe: Helmut Fohringer, APA
Screenshot: SPÖ-Fragenbogen
Rendi-Wagner: Werner Schlager, APA
Doskozil: Denise Auer
Kurz: Dragan Tatic, Kanzleramt

"Kopfnüsse" abonnieren

* indicates required

Mit Anklicken der Checkbox stimme ich zu, dass die angegebenen Daten und meine IP Adresse zum Zweck der Zusendung der ausgewählten Newsletter per E-Mail verwendet werden. Diese Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden. Mehr Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

We use Mailchimp as our marketing platform. By clicking below to subscribe, you acknowledge that your information will be transferred to Mailchimp for processing. Learn more about Mailchimp's privacy practices here.