Ziemlich von der Rolle

Baby-Lätzchen, Politiker-Mätzchen und ein Gerichts-Plätzchen.

Endlich, endlich spricht das einmal jemand aus. Diese Babys werden von uns doch über alle Maßen verhätschelt, finden Sie nicht auch? Ich meine, die meisten sind ja recht süß, aber wo ist die Leistung bitte? Die lassen sich von vorne bis hinten bedienen – und das ist wörtlich gemeint – dazu dieses ewige Genörgel, ständig brüllen sie herum, man versteht sein eigenes Wort kaum. In der Nacht wollen sie nicht schlafen, dafür büseln sie untertags genau dann weg, wenn man sich mit ihnen unterhalten will. Sie möchten dauernd in der Gegend herumgeschoben werden, aber sie schauen sich diese Gegend nicht einmal an. Sie brauchen ununterbrochen Nahrung, das meiste riecht nicht besonders gut und sieht aus, du lieber Himmel. Dauernd muss man zum Kinderarzt, zum Impfen, zu den Schwiegereltern, alle möglichen Leute einladen, die man kaum kennt, aber die sich das Baby anschauen und „Gulli Gulli“ machen wollen. 

Wenn die Windel dann „Gulli Gulli“ ist, dann sitzen sie natürlich schon beim Wirten ums Eck bei einem Aperol Spritz und lästern darüber, dass die Eltern vom Baby überfordert aussehen und kaputt und eigentlich auch ein bisschen ungepflegt, wo doch das Baby so niedlich ist und pflegeleicht. Man könnte direkt auf den Gedanken kommen, sich selber eins anzuschaffen, aber zeitlich sei das natürlich schwierig. Ich sage nur ein Wort oder besser zwei – systemrelevanter Beruf. 

Was bisher wenigen aufgefallen ist: Diese Babys sind auch noch geldgierig. Ja, wirklich. Wenn du denen einen Hunderteuroschein hinhältst, dann sagen die nicht „Danke“, sondern die machen einen säuerlichen Gesichtsausdruck, dass du nicht weißt, purzelt da jetzt wieder etwas in die Windel oder solltest du schon den nächsten Schein aus der Brieftasche fingern? Für nichts. Wenn sie wenigstens sagen würden „super Oida“ oder „das flext“ oder „her mit dem Zaster, her mit der Marie“. Aber nein, die packen zu wie die Waschbären und lassen die Scheine nicht mehr los.

Endlich gibt es jetzt ein Foto, dass diesen üblen Vorgang belegt. Als Lockvogel stellte sich Christine Aschbacher zur Verfügung, die einer Familie mit zwei Kindern probehalber Geld hinhielt. Und was passierte? Natürlich, das Baby griff zu, völlig ungeniert, so als sei es die natürlichste Sache der Welt, dass man von einer Ministerin ein paar Flocken bekommt. Der Regierungsfotograf hielt die Szene fest, das Foto sollte man unbedingt Medien zur Verfügung stellen, die es abdrucken. Die Menschen müssen die Wahrheit erfahren, alles andere ist unzumutbar. 

Gestern früh trat Christine Aschbacher im „Morgenjournal“ von Ö1 auf. Klaus Webhofer sprach mit ihr über dies und das, Härtefallfonds und Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, die Familienministerin redete artig ein paar Stehsätze ins Telefon. Das Schlechte wird gut, das Gute wird noch besser, alles geht sehr rasch vonstatten, auch das Langsame.

Ich verhehle nicht, dass es mich inzwischen einiges an Überwindung kostet, auch nur zuzuhören. Altbekannte Argumente weht der Wind herbei und nimmt sie wieder fort. Sätze lassen sich zu Ende vervollständigen, da sind sie noch drei Hausecken entfernt. Man steht am Versammlungsort und staunt, er nennt sich Gemeinplatz, kein Zufall vielleicht.

Gegen Ende hin ging Webhofer auf ein Foto in der „Kronen Zeitung“ ein, es zeigt die Ministerin bei der Übergabe von Geldscheinen an eine bedürftige Familie. Der Ö1-Mann wollte wissen, ob die dargestellte Form die richtige sei, um „Steuergeld unter die Menschen zu bringen“. Es hätten sich nun verschiedene Möglichkeiten der Antwort angeboten. Etwa: „Nein, das war Blödsinn, das kann ich besser“. Oder: „Jetzt wo ich das sehe, finde ich es selber peinlich“. Oder: „Ich bin dazu überredet worden, das war ein Fehler, beim nächsten Mal sage ich nein“. Meinetwegen auch: „Ja, ich stehe dazu, mir taugt das.“ 

Aschbacher aber entschied sich für folgende Antwort: „Wichtig ist an dieser Stelle zu sagen, dass wir alle Familien, die unverschuldet in Not geraten sind durch die internationale Coronakrise, unterstützen wollen. Dementsprechend haben wir den Familien-Härtefallfonds aufgesetzt und jetzt starten die Auszahlungen und täglich werden tausende…“ 
In diesem Moment fiel ihr Webhofer ins Wort.
„Es geht mir jetzt um das Bild, Frau Ministerin. Da stehen sie in einer Reihe mit Jörg Haider und dessen Geldverteilungsaktionen in Kärnten“. 

Der Satz zeigte kurz Wirkung, in Aschbachers Kopf versuchten die Kommunikations-Legosteine aus der Textfabrik der Regierung zueinander zu finden, aber auch für die war es früh am Morgen und es klappte nicht so gut.
„Also bei dem angesprochenen Bild handelt es sich um eine Familie, die Anspruch auf den Familien-Härtefallfonds hat und eben dieses auch bereits erhalten hat“, sagte die Ministerin. 

Webhofer wirkte nicht vollends befriedigt. 
„Schon“, sagte er, „aber würden Sie es wieder so machen, dass Sie einem Baby persönlich das Geld übergeben?“
„Also grundsätzlich war es so, dass die Eltern das Geld übernommen haben und das Baby kurz nach dem Geld auch greifen wollte“. 

Sage ich es doch, diese geldgierige Brut ist schuld. Aschbacher führte das leider nicht weiter aus, sie hätte um Verständnis bitten können, „sie wissen ja nicht, wie grausam diese Kleinen sein können“. Aber das tat sie nicht. Vielleicht hatte Gerald Fleischmann per Telepathie nachgeholfen, denn plötzlich fuhren die Kommunikations-Legosteine aus der Textfabrik wieder aufeinander zu, es machte klick und die Familienministerin sagte: „Dementsprechend ist es uns wichtig, dass das Geld nun bei den betroffenen Familien ankommt. Wir haben hier auch massiv aufgestockt im Interesse von allen Familien Österreichs“. Zu diesem Zeitpunkt stieg ich aus, es kam aber nicht mehr viel, das sei der Vollständigkeit halber angeführt.

Letzte Hoffnung

Botschafterinnen

Journalisten aber sind eine lästige Bande und so saß wenige Stunden später ORF-Reporter Fritz Dittelbacher im Zuschauerraum der Pressekonferenz, die Aschbacher gemeinsam mit Margarete Schramböck abhielt. Die Familienministerin trug Zitronenfaltergelb, die Wirtschaftsministerin irgendwas mit Kugeln drauf. Aschbacher redete knapp sieben Minuten lang, es war ihr nicht leicht zu folgen. Das lag nicht daran, dass die Kommunikations-Legosteine aus der Textfabrik nicht in ausreichender Stückzahl hochgefahren worden waren, sondern dass sie ihre Liebe zu Zahlen entdeckt hatte oder die Zahlen ihre Liebe zu ihr, man vergesse nicht sie trug Zitronenfaltergelb, gesamt waren jedenfalls 28. Achtundzwanzig Zahlen, nicht wenige sechsstellig, keine leichte Kost, aber irgendwann war es überstanden.

Dittelbacher aber kannte keine Gnade. Er saß da wie der Klassenrebell, Mittelschule Oberstufe, der glaubt in der dritten Zeile einer Gleichung einen Fehler aufgespürt zu haben, das linke Bein am rechten Oberschenkel abgelegt. Er schob seinen schwarzen Gesichts-BH weg und fragte erneut nach der Geldübergabe an das Baby. Sei diese Inszenierung nicht ein „Fehler“ gewesen? „Ich habe wahrgenommen“, antwortete der Zitronenfalter, „dass einigen das Bild nicht gefallen hat. Geschmäcker sind verschieden“ Später fügte sie an: „Das Kind hat danach gegriffen“. 

Die Schuldfrage war damit geklärt, das Motiv noch nicht. Ich vermute, das Baby wollte einfach sichergehen, dass es sich um keine Blüten handelt, man hört ja so einiges, auch in den Kinderwagen hinein. Dem Zitronenfalter war das schnurz, die letzten Text-Legosteine waren angeliefert worden: „Mir ist es wichtig, dass das Geld bei den Familien jetzt ankommt und wir haben viel aufgestockt in meinem Ressort“. Ich glaube, das bekommen wir aus ihr nur mehr ganz schwer heraus. Fleischlos leben inzwischen viele. Fleischmannlos? Das käme auf einen Versuch an.

Pfandastisch?

Vielleicht wäre es klug, auch in der Wirtschaftskammer ein Baby zu engagieren, man bekäme schnelleren Zugriff aufs Geld. Der Härtefall-Fonds für Unternehmer war gestern immer noch down. Auf der Webseite der Kammer erfuhren Hilfsbedürftige, dass die „Richtlinien im Sinne der Antragstellerinnen und Antragsteller weiter verbessert“ würden, was eine gute Nachricht ist, denn es ist immer besser, wenn etwas besser wird, sie merken vielleicht, ich schreibe jetzt auch schon ein bisschen so wie die Regierung redet. 

Oft ist es so, dass es zunächst einmal schlechter wird ehe es besser wird und das geschieht wohl auch hier. Die „weiteren Verbesserungen“ schlagen sich nämlich vorerst so nieder, dass man momentan gar keine Hilfe beantragen kann. Die aus den weiteren Verbesserungen „resultierenden Anforderungen werden derzeit technisch umgesetzt“, schreibt die Kammer. Eine Antragstellung sei „in Kürze wieder möglich“. Diese Kürze zieht sich ein bisschen in die Länge, denn schon seit vergangenem Freitag geht nichts mehr. Aber „in Kürze“ dann sicher – Füllhorn.

Die Regierung setzt nun eher auf Runde Tische statt auf Pressekonferenzen. Die gibt es schon auch noch, aber nicht mehr so oft, ich glaube man wird die Plexiglas-Papamobile bald bei willhaben.at kaufen können, vielleicht unterschreibt das virologische Quartett auf den Scheiben, das könnte den Preis in die Höhe treiben oder abstürzen lassen, das hängt von den nächsten Wochen ab. Gestern fand einmal ein Runder Tisch zu Plastikflaschen statt, immerhin 1,6 Milliarden werden pro Jahr in Umlauf gebracht. Die Flaschen müssen sich vorerst einmal keine Sorgen machen, ihnen passiert nichts, erst im Herbst wird darüber befunden, ob es ein Pfandsystem für Sie geben soll.

Wussten Sie übrigens, dass Klopapier schwer in der Krise steckt? Vor ein paar Wochen noch waren in den Supermärkten alle Regale leergekauft, sobald eine Palette in den Laden gerollt wurde, stürzten sich Kunden auf sie, der Engpass mit Toiletten-Auslegeware blieb eines der großen Rätsel der Coronakrise. Und jetzt? Der deutsche Klopapier-Hersteller Ille musste Kurzarbeit anmelden, berichtet das „Handelsblatt“. Im April habe das Unternehmen einen Umsatzverlust von 30 Prozent erlitten.

Wir können das nicht gewesen sein und waren es auch nicht. Weil die Büros zumachten und die Gaststätten und die Schulen und die Kinos und die Fitnesscenter und die Hotels obendrein, brach der Verkauf ein, unsere Hamsterkäufe waren nur ein Tropfen auf den heißen Urinstein. Inzwischen ist das Unternehmen, das immerhin 85 Millionen Euro Jahresumsatz macht, nicht mehr von der Rolle, die Verkäufe stabilisieren sich, auch kleine Beiträge sind wichtig. Als in Österreich noch strengstes Ausgehverbot herrschte, musste ein Wiener bei einem Pfandleiher dringend aufs Klo. Die Polizei ertappte ihn und verhängte ein Bußgeld von 500 Euro, denn müssen müssen sei kein „unvorhersehbarer Notstand“. Die Strafe wurde später auf 200 Euro gesenkt, immer noch kein Furz, Sie entschuldigen. 200 Euro für einmal Wildpinkeln? Dieses Corona war schon ein bisschen lulu.

Schildbürger

Platzverbot


Was gestern noch wichtig war? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Laudamotion gingen in Wien auf die Straße. Sie protestieren weiter gegen ihre eigene Gewerkschaft, die einem Dumping-Kollektivvertrag nicht zustimmen will. Eigentümer Ryanair setzte ein weiteres letztes, letztes, letztes Ultimatum, das in der Nacht auf morgen abläuft. Fliegen ist eine ziemlich erdige Angelegenheit geworden.

Der Prozess gegen Karl-Heinz Grasser ging weiter. Der Ex-Finanzminister erschien mit Gesichtsschild, für mehr Gesprächsstoff sorgte eine „Abhör-Affäre“, die aufflog. Das Gericht lässt den Prozess mit fünf Kameras mitfilmen, die blieben allerdings auch in den Pausen an, aufgezeichnet wurden offenbar auch vertrauliche Gespräche zwischen Mandaten und ihren Anwälten. Ein Befangenheitsantrag – und damit der Stopp des Verfahrens – wurde gestern abgelehnt. Aber sollte der Prozess irgendwann einmal vorbei sein und mit Schuldsprüchen enden, dann haben die Anwälte nun ein Argument in der Hand, auf Nichtigkeit zu plädieren. Die wichtigste Frage für Grasser lässt sich schon jetzt klären: Ja, Krawatte und Frisur schauen auf den Aufnahmen immer perfekt aus.

Lassen Sie sich heute nicht papierln! Ich wünsche einen wunderbaren Mittwoch, vor allem den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, die nach dem 13. März zum ersten Mal wieder in die Schule dürfen. Vielleicht schreibe ich morgen ein paar Zeilen darüber, vielleicht hänge ich eine kleine Enthüllung über einen prominenten Österreicher an, wir werden sehen, ob er eine Klasse für sich ist.

Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adress

Bisher erschienen:
Danke, Baby!
Ausgerechnet
Sie dürfen die Braut jetzt (nicht) küssen

Rudimentär

Endlich 100

Tatort Annagasse 8

Auf nach Österreich!

Mit ohne Strom

Kuschel-Pädagogik

Die Leeren aus Ibiza

Eine Frage der Ehre

"Nein, das machen wir nicht mehr"
Grüne Haxelbeißerei

"Irritierende Bilder"

Österreichs Seele

Die Glaubenskrieger

Apfel muss

Was für eine Aussicht

Post von Mutti

Apps and downs

Ho ho ho
TikTok Taktik

Alles Isidisi

Die 4 Maskarmoniker

"Na, du Küken"

Ätsch Bätsch

Die Herbeischaffung

Tischlein deck dich
Frittösterreich

Rambo VI.

Corona wegflexen

Aussicht auf Sport

Anno Baumarkti

Erst Messe, dann Baumarkt

Ein Bild von einem Kanzler

Meer oder weniger

Bildschön, oder?

Koste es, was es wolle

Neuer Kurzbefehl

In Frühlingshaft

Situation Room

Im Namen der Maske

Die Maskenbildner

Verkehrte Welt

Klobuli Bettman

Das virologische Quartett

Das Leben ist ein Hit

Im Bett mit Kurz
Park mas an!
Unser Retter?
Danke!

Neulich in Balkonien
30 Beobachtungen

Das Ende der Party

Im Teufelskreis

"Happy birthday"

Das Virus und wir

Sternderl schauen

Streicheleinheiten

Ganz große Oper

That's Life

Patsch Handi zam

Rabimmel, rabammel, rabum

Wir sind Virus

Na dann Prost!

Küssen verboten

Unterm Glassturz

Achtung, s´Vogerl!

Olles Woiza, heast oida!

Oblenepp und Stadlerix

Der tut nix

Im Krapfenwaldl

Wohin des Weges?

Es fliegt, es fliegt

Lieber Christian

Ein Leben am Limit

Kurzer Prozess

Hexenjagd am Klo

Ein Land im Fieber

Eine Frage der Ehre

Frühstücken mit Kurz

Von der Lust gepackt

Ein Ball, viele Bälle

Blabla und Wulli Wulli

"Warum steigt's nicht ein?"

"Servas die Buam"

Die Teufelsaustreibung

Romeo und Julia

Strache, "ich war dabei"

Brot und Spiele

It´s my lei lei life!

Der Zug der Zeit

Der Hauch des Todes

... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
 
Big Bang für einen Big Mac

Auf einen Apfelputz beim Minister

Von Brüssel ins Fitness-Studio

"Es ist alles so real"

"No words needed"
 
"So wahr mir Gott helfe"

Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos:
Klopapier: iStock
Laudamotion: "Heute", Helmut Graf
Leonore Gewessler: BMK, Cajetan Perwein
Karl-Heinz-Grasser: Picturedesk, Roland Schlager

"Kopfnüsse" abonnieren

* indicates required

Mit Anklicken der Checkbox stimme ich zu, dass die angegebenen Daten und meine IP Adresse zum Zweck der Zusendung der ausgewählten Newsletter per E-Mail verwendet werden. Diese Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden. Mehr Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

We use Mailchimp as our marketing platform. By clicking below to subscribe, you acknowledge that your information will be transferred to Mailchimp for processing. Learn more about Mailchimp's privacy practices here.